Der Gärtringer Student Florian Stupp, erfolgreicher Teilnehmer bei „Jugend debattiert“, meint, fairer Streit bildet den Lebensnerv der Demokratie – und er erklärt, wie er sich gegen Fake News wappnet und sich verlässlich informiert.
Guter Journalismus ist für eine Demokratie „elementar“. Wie sonst könnten Falschmeldungen entlarvt werden, meint Florian Stupp. Das 18-jährige Ausnahmetalent fordert daher deutlich mehr digitale Medienbildung in den Schulen.
Beim Schülerwettbewerb „Jugend debattiert“ gehören Sie zu den Besten. Sollten Schülerinnen und Schüler, um Demokratie zu lernen, richtig streiten lernen?
Ein ganz klares Ja. Denn unsere Demokratie lebt vom richtig ausgetragenen Streit. Das ist kein Streit, wie wir ihn vom Schulhof kennen. Auch wenn sich viele der aktuellen politischen Kontroversen leider so gestalten. Aber von einem Streit in Form einer geregelten Debatte profitieren alle. Da eröffnen sich neue Perspektiven selbst bei festgefahrenen Positionen. Auch künftige Generationen sollten diese Art Streit beherrschen, wenn wir unsere Demokratie erhalten wollen.
Haben Sie durchs Debattieren gelernt, auch andere Meinungen zu akzeptieren oder Ihre Meinung zu ändern?
Ja, das ist eine Grundkompetenz, die man dabei lernt. Meinungsbildung basiert ja auf der persönlichen Einstellung, den Werten und der Prägung aus dem Elternhaus und der Schule. Aber das wird im Alltag oft nicht hinterfragt. Da hilft die Herausforderung, sich mit Positionen auseinanderzusetzen, die nicht die eigenen sind. Der Blick, der sich dabei eröffnet, schärft die eigene Meinung oder führt dazu, dass man sie stark hinterfragt.
Woher kommt Ihr Interesse an Politik?
Das ist familiär geprägt. Bei uns wurde bei den Großeltern zu Hause beim Abendessen über Politik geredet. Da will ich natürlich auch mit Eltern und Großeltern mitreden und selbst eine Meinung vertreten.
Und wie informieren Sie sich über aktuelles Geschehen?
Über mehrere Kanäle: Morgens lese ich die Zeitung schon seit ich zehn, elf Jahre alt bin. Bis heute klassisch die gedruckte Ausgabe. Den Tag über folge ich einigen gängigen Medienportalen wie „Tagesschau“ und „Zeit“ digital und auch einzelnen Politikern direkt über die sozialen Medienkanäle.
Stichwort soziale Medien. Was halten Sie davon als Informationsquelle?
Sie bieten eine Chance auf eine direkte und schnellere Kommunikation. Aber Direktheit und Geschwindigkeit bergen auch große Gefahren. Wenn zum Beispiel ein Politiker etwas veröffentlicht, ist das subjektiv. Daran kann man nicht wie im Journalismus den Maßstab der Objektivität anlegen. Das ist bei Meinungen nicht schlimm, weil bei uns Meinungsfreiheit herrscht. Das Risiko einer Manipulation besteht aber, wenn behauptete Fakten nicht überprüft worden sind. Daher muss man sich vergewissern, welche Quellen seriös sind und welche nicht.
Welche Rolle spielen Qualitätsmedien in einer Demokratie?
Eine elementare. Gute Medien bringen Transparenz mit ein. Sie berichten nicht nur darüber, was Politiker etwa von sich geben, sondern sie ordnen die Äußerungen ein und stellen Zusammenhänge her. Das ist gerade heute wichtig. So kursierte im vergangenen Jahr für einige Stunden in den sozialen Medien die Meldung, dass Russland eine Rakete auf das Nato-Land Polen abgefeuert habe. Seriöse Medien fanden schließlich heraus, dass das nicht stimmte. Gäbe es die Presse nicht, würden derartige Falschinformationen über soziale Medien noch viel mehr verbreitet. Oder nehmen Sie das erschreckende Beispiel des früheren US-Präsidenten Donald Trump und seiner vielen falschen Behauptungen, die Journalisten durch einen Faktencheck entlarvt haben. In unserer Demokratie hat die Presse die Aufgabe, das Recht der Öffentlichkeit auf seriöse und reale Information zu wahren.
Wie geht man am besten gegen Fake News und Verschwörungstheorien vor?
Wie Corona gezeigt hat, müssen wir offen das Gespräch suchen, auch wenn es schwierig ist. Und nicht das Ganze abtun. Das ist anstrengend und bei vielen aussichtslos. Aber wir müssen diesen Weg gehen. Denn wenn wir von vornherein abblocken, bestärken wir die Betroffenen nur. Wir müssen fragen, woher die falschen Informationen kommen, welche Ängste dahinterstecken. Dabei sollte man eher zuhören als belehren.
Welche Aufgabe haben in Ihren Augen die Schulen im Kampf gegen Fake News zu erfüllen?
Schulen sollten schon früh darüber aufklären, weil sich das Leben für meine Generation und die nachfolgenden immer stärker ins Internet verlagert. Leider fehlt vielen Schulen bisher die Kompetenz dazu. Schule tut sich mit digitalen Medien immer noch schwer. Oft kommen die Schüler privat schon viel früher damit in Kontakt. Dann bleibt den Schulen nur noch, den Scherbenhaufen zusammenzukehren.
Themenwechsel: Viele junge Menschen in Ihrem Alter machen bei Fridays for Future oder gar der Letzten Generation mit. Sie tun das nicht. Warum nicht?
Die sind nicht lösungsorientiert. Fridays for Future hat es ohne Zweifel geschafft, den Klimawandel auf die politische Agenda zu setzen. Aktivismus und Protest sollte aber auch erkennen, wann sein Ziel erreicht ist und wann man dazu übergehen muss, richtige Lösungen zu entwickeln. Es bringt nichts, nur zu rufen „die Kohle muss weg“, wenn es aus der Industrie heißt, der Strombedarf bei der Umstellung auf grüne Produktion wird enorm zunehmen. Für eine andere Energieversorgung brauchen wir alternative Technologien.
Wenn man Ihnen so zuhört, bekommt man den Eindruck, Sie landen mal in der Politik. Ist das Ihr Ziel?
Den direkten Weg vom Studium in ein Parlament halte ich für wenig sinnvoll. Da verfehlt man die Realität. Ein Parlament, in dem Berufspolitiker sitzen, ist nicht repräsentativ für die Gesellschaft. Ich möchte erst mal Erfahrungen in Wirtschaft und Technologie sammeln. Prinzipiell aber fände ich es spannend, in einem Parlament mitzugestalten.
Florian Stupp & Nachrichten in der Schule (Nisch)
Wer
Der 18-Jährige Gärtringer begeistert sich schon früh für Technik, aber auch für Politik und das Debattieren. 2022 macht er sein Abitur in Böblingen: Notendurchschnitt 0,8. Jetzt studiert er im dualen Studium Mechatronik mit der Studienrichtung E-Mobilität.
Was
Seit der 7. Klasse debattiert er, überzeugt gerne mit guten Argumenten, hört sich aber auch Gegenmeinungen an. Zuletzt landet er 2022 beim Schülerwettbewerb „Jugend debattiert“ auf den vorderen Plätzen. Bei „Jugend forscht“ entwickelt er ein Notrufsystem für Skifahrer. Später auch noch ein Verfahren, um Mikroplastik aus dem Wasser zu filtern sowie eine App für umweltbewusstes Einkaufen. Technik sieht er als Chance, um den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen.
Im Schuljahr 2022/23
können Schülerinnen und Schüler aus der Region Stuttgart beim Projekt „Nachrichten in der Schule“ (Nisch) kostenlos die Stuttgarter Nachrichten lesen. Wahlweise in Print, digital oder eine Kombination aus beiden. Auf Wunsch können sie bei einem Schulbesuch StN-Redakteurinnen befragen. Den Schulen stehen für den Unterricht noch vier Projekttermine zur Auswahl – ab 24. April, 8. Mai, 12. Juni und 26. Juni.
Schülermedientage 2023
Die Stuttgarter Nachrichten, die Stuttgarter Zeitung und andere Medienpartner veranstalten gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) vom 2. bis 5. Mai die Schülermedientage. Unter dem Motto „Fake oder Fakt“ lernen Schulklassen von Redakteurinnen und Redakteuren wie Informationen geprüft und Fake News erkannt werden.